Digitale Barrierefreiheit
Normung

Normen als Wegbereiter für digitale Barrierefreiheit

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen uneingeschränkten Zugang zu digitalen Angeboten haben – egal ob Websites, Apps oder digitale Produkte. In einer zunehmend digitalen Welt ist dies entscheidend für eine gleichberechtigte Teilhabe an Gesellschaft und Wirtschaft.

Die Europäische Union hat mit der Richtlinie (EU) 2019/882, dem sogenannten European Accessibility Act (EAA), klare Anforderungen für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen geschaffen. Diese Richtlinie, die in Österreich durch das Barrierefreiheitsgesetz (Link zum Gesetz: BaFG) umgesetzt wurde, verpflichtet Unternehmen dazu, digitale Barrierefreiheit in unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens sicherzustellen.

Vom Anwendungsbereich des Barrierefreiheitsgesetzes umfasst sind beispielsweise elektronische Kommunikationsdienste. Ebenso zählen Dienste dazu, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen und Elemente von Personenverkehrsdiensten im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr. Solche Elemente sind etwa Websites, mobile Applikationen von Verkehrsdienstleistern, elektronische Tickets und elektronische Ticketdienste, die Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Verkehrsdienste, einschließlich Reiseinformationen in Echtzeit, ebenso wie interaktive Selbstbedienungsterminals im Hoheitsgebiet der Europäischen Union, mit Ausnahme der Terminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen und Schienenfahrzeugen eingebaut sind und für die Erbringung von solchen Personenverkehrsdiensten verwendet werden. Weiters zählen Bankdienstleistungen für Verbraucher und Verbraucherinnen sowie E-Books und dafür bestimmte Software zum Anwendungsbereich. Auch Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr sind umfasst, wobei insbesondere Webshops dazugehören, die einen großen Teil ausmachen.

Bei der konkreten Umsetzung in der Praxis spielen Normen eine zentrale Rolle: Sie bieten eine standardisierte Grundlage dafür, wie digitale Barrierefreiheit technisch umgesetzt werden kann.

Dazu hat die Europäische Kommission im Rahmen des Mandats 587[1] den Auftrag zur Normung bestimmter Bereiche an die Europäischen Normungsorganisationen erteilt. Dieser sogenannte Standardization Request umfasst insbesondere die Bereiche der Barrierefreiheit für IKT-Produkte und -Dienste, dessen Anforderungen in der EN 301 549 definiert sind. Die Barrierefreiheit von Produkten, Waren und Dienstleistungen nach einem „Design für alle“ Ansatz, der den Kreis der Benutzerinnen und Benutzer erweitern soll, beschrieben in der EN 17161 sowie die Anforderungen an Produktinformationen in nicht digitaler Form. Ergänzt werden diese Normen durch die EN 17210, welche die Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt regelt.

In einem weiteren Schritt sollten die Bereiche der Barrierefreiheit von Unterstützungsdiensten im Zusammenhang mit Produkten und Dienstleistungen (Help-Desk, Call-Center, technische Unterstützung, Relaisdienste und Einweisungsdienste) und die Barrierefreiheit und Interoperabilität von Notrufen und für die Beantwortung von Notrufen durch die Notrufabfragestellen (einschließlich der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112) durch harmonisierte Normen geregelt werden.

Herzstück der Umsetzung des European Accessibility Acts und damit auch des Barrierefreiheitsgesetzes ist damit die EN 301549 betreffend die Barrierefreiheit von IKT Produkten und Diensten, da diese eine konkrete Hilfestellung bei der Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit bietet. Neben dem Gremium zur Überarbeitung dieser Norm sind wir auch an der Erarbeitung der harmonisierte Norm zur Festlegung von Barrierefreiheitsanforderungen an nicht digitale Produktinformationen direkt auf europäischer Ebene in der Arbeitsgruppe tätig.

[1] M/587 COMMISSION IMPLEMENTING DECISION of 14.9.2022 on a standardisation request to the European standardisation organisations as regards the accessibility requirements of products and services in support of Directive (EU) 2019/882 of the European Parliament and of the Council.

Wie digitale Barrierefreiheit den Alltag von allen verbessert

Normen helfen somit Unternehmen und Entwicklern, klare Leitlinien für barrierefreie digitale Angebote zu erhalten. Gleichzeitig geben sie Menschen mit Behinderungen die Sicherheit, dass sie Produkte und Dienstleistungen nutzen können, ohne auf Hindernisse zu stoßen.

Digitale Barrierefreiheit betrifft aber weit mehr Menschen, als man auf den ersten Blick denken würde. Neben Menschen mit Seh-, Hör- oder Mobilitätseinschränkungen profitieren auch ältere Menschen oder Menschen mit temporären Einschränkungen (z. B. nach einer Verletzung) von barrierefreien digitalen Angeboten.

Doch wie funktioniert digitale Barrierefreiheit konkret?

Menschen mit Sehbehinderungen können sich zum Beispiel Inhalte durch eine verpflichtende Screenreader-Kompatibilität vorlesen lassen und Menschen mit Sehschwächen können sie durch hohe Farbkontraste und flexible Schriftgrößen besser lesen. Auch Untertitel und Gebärdensprachvideos fallen unter die digitale Barrierefreiheit, diese müssen genau so wie alle alternativen Bedienungsmöglichkeiten per Sprachsteuerung oder Tastaturbedienung bedienbar sein. Weiters muss es für kognitiv eingeschränkte Menschen Inhalte in vereinfachter Sprache geben. Die eben genannten Punkte sind nur ein kleiner Teil der digitalen Barrierefreiheit, welche durch viele weitere Anforderungen zur Inklusion beiträgt.

Diese Maßnahmen führen nicht nur zu mehr Inklusion, sondern bieten auch wirtschaftliche Vorteile. Unternehmen, die barrierefreie digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten, erreichen eine größere Kundengruppe und minimieren rechtliche Risiken.

Normen als Schlüssel für eine inklusive Zukunft

Die Bedeutung von Normen für die digitale Barrierefreiheit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie sind das zentrale Werkzeug, um Barrierefreiheit messbar, vergleichbar und umsetzbar zu machen.

Organisationen wie ANEC setzen sich dafür ein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher – insbesondere Menschen mit Behinderungen – in den Normungsprozess einbezogen werden. In Österreich vertritt die Fachstelle Normungsbeteiligung die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Bereich und sorgt dafür, dass Barrierefreiheitsnormen praxistauglich und inklusiv gestaltet sind.

Unsere Stellungnahme zur EN 301 549

Einer der Arbeitsschwerpunkte der Fachstelle 2025 ist die Beteiligung an der Überarbeitung der EN 301 549. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Norm praxisnah weiterentwickelt wird und möglichst viele Barrieren abbaut. Im Rahmen der aktuellen Revision haben wir mehrere Kommentare eingereicht, die darauf abzielen, die Norm zu verbessern.

Unsere wichtigsten Verbesserungsvorschläge umfassten unter anderem:

  • Eine verbesserte Kennzeichnung und Positionierung von Kopfhöreranschlüssen für sehbehinderte Menschen.
  • Die Aufnahme von USB-C als Industriestandard für Audioverbindungen.
  • Verbesserte Sprachsteuerung, die es Nutzer:innen ermöglicht, Sprachausgaben zu pausieren oder zu wiederholen.
  • Anforderungen an Halterungen für Gehhilfen an stationären IKT-Geräten.
  • Anpassung der Maße für barrierefreie Geräte an internationale Standards wie ISO 21542.

Diese Änderungen sollen sicherstellen, dass digitale Technologien tatsächlich für alle zugänglich sind und Menschen mit Behinderungen nicht ausgeschlossen werden.

In einigen dieser Bereiche konnten wir auch bereits einige Erfolge erzielen indem einzelne unserer Vorschläge zu Änderungen im Arbeitsentwurf führten.

Unsere Mission

Digitale Barrierefreiheit ist kein „Extra“, sondern eine Grundvoraussetzung für eine gerechte Gesellschaft. Wir freuen uns, dass wir entsprechend unseres Ziels, eine digitale Welt zu schaffen, die für alle zugänglich ist, auch selbst einige Verbesserungen vorantreiben und umsetzen konnten. Denn eine barrierefreie Gesellschaft ist nicht nur eine gerechtere Gesellschaft – sie ist auch eine zukunftsfähige Gesellschaft.